Günter Gerlach, der am 4. Mai 1993 in Berlin seinen 65. Geburtstag feierte, kann auf eine erfüllte Zeit zurückschauen: mehr als 40jährige Tätigkeit als katholischer Kirchenmusiker, 30 Jahre Musikunterricht am Canisius-Kolleg, zahlreiche - man ist versucht zu sagen: zahllose Konzerte im In- und Ausland, als Solist an der Orgel und als inspirierender Leiter am Dirigentenpult, dazu noch mehr als vier Jahrzehnte eines stets weiter ausgreifenden kompositorischen Schaffens.
Im Knabenchor der St.-Hedwigs-Kathedrale erfuhr der junge Musiker seine ersten entscheidenden Eindrücke. Nachhaltig geprägt durch Karl Forsters unvergeßliche Erscheinung, fand der Student der Musikhochschule Berlin bei Joseph Ahrens weitere Anregungen für sein Orgelspiel, ließ sich auch als Bratscher ausbilden und vertiefte sein kompositorisches Können bei dem Hindemith-Schüler Konrad Friedrich Noetel. Bald nach Beginn seiner kirchenmusikalischen Tätigkeit, zunächst an der St.-Elisabeth-Kirche in Schöneberg, dann seit langen Jahren an der Kirche Zur Heiligen Familie in Lichterfelde, wurden Rundfunk und Fernsehen auf ihn aufmerksam.
Kompositionsaufträge verschiedener Sender, Übertragungen aus seinen Gottesdiensten, Veranstaltungen beim Katholikentag in Berlin und bei der 750-Jahr-Feier Berlins machten seinen Namen überregional bekannt. So nimmt es nicht Wunder, wenn eine Kritik der WAZ Gerlachs Schubert-Variationen für Orgel und Kontrabaß als einen "nachdenklichen Klang-Zyklus" bezeichnet. Dieser Komponist geht in der Tat gedankenreich auf die Möglichkeiten eines Themas ein, verleiht ihm nicht nur äußerlich wechselnde Form und reizvolle Wandlung, sondern erspürt tiefgründig und vielschichtig seine Unter- und Hintergründe. Das tritt auch in Gerlachs Textauswahl zutage. In seinem Hymnus für Chor, Bariton, zwei Sprecher und Orchester von 1987 "Veni Creator Spiritus" kontrapunktiert er mit der mittelalterlichen Sequenz des Hrabanus Maurus aus dem 9. Jahrhundert Texte der Gegenwart: Worte der Mutter Teresa, Zitate aus einer Encyclica von Papst Johannes XXIII. und Sätze aus dem Venehmungsprotokoll des Berliner Dompropstes Bernhard Lichtenberg durch die Gestapo 1943. Die Weite des kontrastreichen XX. Jahrhunderts wird mit der Tiefe der Tradition vorbildlich verbunden. Wie in der Fügung dieser Texte, so bringt Gerlach auch in seiner Tonsprache die musikalischen Mittel der Tradition mit den Möglichkeiten der Moderne in Verbindung. Gregorianischer Gestus integriert gern freitönige Passagen, althergebrachte strenge Formen mischen sich mit Rhapsodischem zu ausgewogenen anziehenden Klanggestalten. Ein eigenes kompositorisches Profil, das zu beschreiben nicht einfach, zu erleben aber unmittelbar zugänglich ist.
Gerlachs Schaffen umfaßt viele Sparten und Formen. Sein Werkverzeichnis nennt Chorwerke a cappella, solche mit Instrumenten und andere mit großem Orchester, Kompositionen für Orgel Solo und mit Instrumenten, Leier, Kammermusik, Haus- und Schulmusik, ein Konzert für Trompete und Orchester sowie vieles andere mehr. Wir wünschen ihm und uns, daß sich diese lange Reihe weiter entwickelt und auch vielfach vorgeführt wird: Ad multos annos - et ad multa opera!
Prof Dr. Bernhard Kytzler
(Musica sacra, Regensburg - Heft 3 - 1993)
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Günter Gerlach wurde am 4. Mai 1928 in Berlin geboren. Im Knabenchor der St.-Hedwigs-Kathedrale erfuhr er erste kirchenmusikalische Eindrücke; im Alter von 14 Jahren versah er bereits den Organistendienst in Biesenthal bei Berlin. Günter Gerlach studierte u.a. bei Joseph Ahrens und bei dem Hindemith-Schüler Konrad F. Noetel; seine Fächer waren Bratsche, Orgel, Chorleitung und Komposition. Nach seiner Abschlussprüfung im Jahre 1952 war Günter Gerlach zunächst an der Kirche St. Elisabeth in Berlin-Schöneberg tätig, ab 1959 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1995 wirkte er als Organist und Chorleitere in der Gemeinde Heilige Familie in Berlin-Lichterfelde. Im Ruhestand widmet er sich verstärkt seinem kompositorischen Schaffen, das schon in der Vergangenheit gelungene Verbindungen traditioneller Mittel - bis hin zur Gregorianischen Musik - mit moderner Tonsprache hervorgebracht hat. Einer seiner großen Erfolge war die Aufführung einer Auftragskomposition beim Besuch von Papst Johannes Paul II in Berlin 1996.
Günter Gerlach starb am 8. Juni 2003 in Berlin.
Veröffentlichung des Dohr Verlages
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